Betriebssystem verhalf PC zum endgültigen Durchbruch
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Rainer Schuldt
Andre Hesel
Mit Windows 95 begründete Microsoft vor 25 Jahren eine neue Ära. Das Betriebssystem erleichterte Millionen den Zugang zum PC. Ein Rückblick.
Sie nannten es "Midnight Madness" (Mitternachts-Wahnsinn): Am 24. August 1995 öffneten in den USA viele Computerläden nachts genau um 00:00 Uhr ihre Türen, um die ersten Packungen mit Disketten oder CDs des neuen Microsoft-Betriebssystems Windows 95 unter die Leute zu bringen. "Ich musste das einfach kaufen", sagte damals ein junger Mann dem lokalen Fernsehsender in Seattle. Das Kuriose daran: Er besaß noch nicht einmal einen PC. "Es ist so hip", flötete der Bursche dem verdutzten Live-Reporter ins Mikrofon.
Windows 95: Reißender Absatz
Das Windows-95-Fieber war ansteckend: Allein in den ersten sieben Wochen verkaufte Microsoft sieben Millionen Exemplare. Innerhalb eines Jahres waren es 40 Millionen. Mit dieser Software holte Microsoft-Gründer Bill Gates den Personal Computer aus der Nerd-Ecke und kam seiner Vision "Ein PC auf jedem Schreibtisch" einen entscheidenden Schritt näher. 1995 wurden weltweit erst gut 60 Millionen Computer verkauft. Zehn Jahre später überschritt die Zahl der verkauften PCs weltweit erstmals die Schwelle von 200 Millionen, Microsoft hielt damals einen Marktanteil von über 95 Prozent. Seinen Höhepunkt erlebte der PC-Markt in 2011 mit 365 Millionen Geräten. Seitdem zeigt die Kurve deutlich nach unten, weil bei vielen Menschen das Smartphone oder ein Tablet-Computer die Funktion des PCs übernommen haben.
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Grafische Oberfläche erleichtert Bedienung
Das Microsoft-System brachte eine neue dokumentenorientierte grafische Oberfläche mit, die überzeugte. Sie kam zwar den Besitzern eines Apple Macintosh irgendwie bekannt vor, für die meisten PC-Benutzer bot Windows 95 jedoch eine echte Premiere. Das System entfachte einen Upgrade-Boom, denn im Vergleich zum Kommando-Zeilensystem MS-DOS und den ersten Windows-Versionen sah das neue Windows 95 so viel besser aus und war auch einfacher zu bedienen.
Sicherheitsmängel und fehlende Online-Funktionen
Beim Hype um Windows 95 übersahen die Kunden auch die Nachteile. Die Software bot nur eine schwache Sicherheitsarchitektur und war anfällig für Computer-Viren. Das Problem knöpfte sich Microsoft erst neun Jahre später mit dem Service Pack 2 für Windows XP vor. Auch die Online-Strategie von Bill Gates für Windows 95 ging zunächst nicht auf. Gates hatte in der frühen Entwicklungsphase des Systems den Boom des World Wide Webs nicht vorausgesehen. Er glaubte damals an den Erfolg proprietärer Online-Dienste wie Compuserve oder AOL und stattete sein Windows mit dem Microsoft-Gegenstück MSN aus. Erst als Netscape mit seinem Browser den Markt überrannte, erkannte Gates die Herausforderung. Vier Monate nach der Premiere von Windows 95 rief Gates zu einem „Internet-Strategie-Workshop“ nach Seattle und änderte seinen Online-Kurs um 180 Grad. Die neue Ansage von Gates lautete: "Heute ist das Internet die treibende Kraft bei allen Verbesserungen, die wir bei all unseren klassischen Produkten vornehmen." Microsoft verstrickte sich nach dieser Ansage in einen schmutziger "Browserkrieg". Der Kampf gegen Netscape hätte fast zur Aufspaltung des Konzerns geführt, weil sich die Aufsichtsbehörden an umstrittenen Geschäftspraktiken von Microsoft störten. Zum Schluss blieb Netscape auf der Strecke.
Windows 95 bringt Apple in Bedrängnis
Auch Apple geriet mit dem Boom von Windows 95 in Existenznöte. Der damalige Apple-Boss John Sculley hatte zuvor vergeblich versucht, frühe Windows-Versionen als rechtswidrige Mac-Kopien gerichtlich untersagen zu lassen. Mit dem Macintosh-Betriebssystem steckten die Apple-Ingenieure in einer technischen Sackgasse. Aus diesen Nöten konnte sich Apple erst zwei Jahre später mit der Rückkehr von Steve Jobs befreien, der sein Next-Betriebssystem mitbrachte. Jobs nahm damals sogar die Hilfe von Bill Gates in Anspruch, um das in Schwierigkeiten geratene Unternehmen zu retten. Microsoft investierte 150 Millionen US-Dollar in 150.000 Apple-Aktien und zahlte Gerüchten zufolge weitere 100 Millionen US-Dollar für Urheberrechtsverletzungen der vergangenen Jahre. Dass Jobs viele Jahre später mit dem iPhone und iPad den Microsoft-Bossen Kopfschmerzen bereiten würde, war damals nicht abzusehen.
Für Nostalgiker: Windows 95 ausprobieren
Das
aktuelle Windows 10hat mit dem Kassenschlager von einst nicht mehr viel gemein. Microsoft hat sich längst vom gewinnträchtigen DVD-Verkauf teurer Upgrades verabschiedet, verteilt neue Windows-10-Versionen seither als
kostenlose Online-Updates("Windows as a service"). Zahlreiche einstige Bordmittel und Gratis-Spiele sind inzwischen als Apps erhältlich und lassen sich – teils kostenpflichtig – aus dem
Microsoft Storeladen. Wer in Erinnerungen schwelgen, "Solitaire" oder "Minesweeper" spielen und mit dem Internet Explorer 3.0 durchs Netz brausen will, kann Windows 95 im Browser nutzen: Sie öffnen die Webseite
win95.ajf.meund klicken auf Start Windows 95. Achtung: Der Start des (emulierten) Betriebssystems im Browser dauert eine Weile und ist abhängig von der Auslastung der Webseite. Wer eine bessere Performance und mehr Optionen wünscht, installiert Windows 95 als Windows-10-App. Dort sind sogar Spieleklassiker wie "Doom" und "Wolfenstein 3D" und der legendäre IE-Rivale Netscape an Bord. Sie können Datenträgerabbilder von Disketten und CDs/DVDs in Form von IMG-Dateien einbinden. Mehr dazu im
Ratgeber Windows 95 V2. (Mit Material der dpa.)